Si vis pacem para bellum - Freiheit hat einen Preis

Si vis pacem para bellum - Freiheit hat einen Preis

Wenn ihr nach Hause geht, erzählt ihnen von uns und sagt ihnen, daß wir für ihr Morgen unser Heute gaben.

John Maxwell Edmonds

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Sechs Sekunden bis zur Ewigkeit


Geliebt und liebenswert, solange sie lebten, sind nun auch im Tod noch vereint. Sie waren schneller als Adler  und stärker als Löwen.
                                         2.Samuel 1.23


Name: Jordan Christian Hearter                                                   Name: Jonathan Tyler Yale
Rang: Lance Corporal ( Gefreiter)                                                Rang: Corporal ( Hauptgefreiter)
Einheit: 9. Regiment, US Marine Corps                                         Einheit: 2. Regiment, US Marine Corps
Alter: 19                                                                                        Alter: 21
aus : Sag Harbor, New York, USA                                                aus: Burkeville, Virginia, USA
                                           Gefallen: 22.04.2008, Ramadi, Provinz Anbar, Irak                 
                                           Operation  Iraqi  Freedom  



Bildquelle: jordanhearter.com
Bildquelle. timesdispatch.com



















“” "Ich weiß, daß das keine gewöhnlichen Menschen waren. Kein normaler Mensch wäre dort stehengeblieben und hätte getan, was diese beiden Marines taten.“
Zitternd, von seinen Gefühlen überwältigt stand der irakische Polizeioffizier vor Generalleutnant James Kelly, dem Vizekommandeur der Expeditionsstreitkräfte im Irak. „ Im Namen Gottes, Sir, diese beiden Männer retteten uns alle. Nein, Sir“ bekräftigte der Mann mit Nachdruck „ das waren keine gewöhnlichen Menschen.“

Keine gewöhnlichen Menschen? Als Rebecca Yale das letzte Telefonat mit ihrem Sohn Jonathan führte, spürte sie, das dieses Mal etwas anders war. Niemals seit dem Beginn seines Einsatzes im Irak  hatte  der junge Marinesoldat gegenüber seinen Angehörigen etwas anderes als Optimismus verspüren lassen, doch jetzt sprach er zum ersten Mal von der natürlichsten Regung eines Menschen im Angesicht der Gefahr: „ Mama, ich habe Angst. Sie schicken uns wieder nach Ramadi.“ „Irgendwann während des Gesprächs  bat er mich, seiner Schwester Tammy und den Großeltern auszurichten, wie sehr er sie liebe. Ich glaube, dass wir beide in diesem Moment in unserem Innersten ahnten, was die Stunde geschlagen hatte.“ sagte Rebecca der „Richmond Times.“

Im Frühjahr 2008 war Ramadi in der Provinz Anbar, dem sunnitischen Dreieck südlich von Bagdad einer der tödlichsten Orte auf unserem Planeten. „Die Stadt, die al Qaida gehört“ beherrschte die täglichen Nachrichten mit Scharmützeln und blutigen Anschlägen. Inmitten dieses Alptraums aus Terrorismus, Gesetzlosigkeit und religiösem Fanatismus versuchten 100 irakische Polizisten verzweifelt aber vergeblich die öffentliche Ordnung  aufrechtzuerhalten, so daß 50 Soldaten des 9.US Marineinfanterieregimentes zu ihrer Unterstützung entsandt wurden.
Am Morgen des 22.April 2008 begegneten sich der 21jährige Jonathan Yale und sein 19jähriger Kamerad Jordan Hearter zum ersten Mal. Sie kannten sich erst wenige Minuten, hatten wenig mehr als einige Worte miteinander wechseln können. Die verwackelte, sechs Sekunden lange Aufnahme einer Überwachungskamera dokumentiert, was dann geschah.  Im Angesicht des sicheren Todes besiegten sie die Angst, von der Jonathan gegenüber seiner Mutter gesprochen hatte und trafen eine einsame, endgültige Entscheidung.  Das Video zeigt die letzten sechs Sekunden im Leben von Jordan Hearter und Jonathan Yale.

 Die beiden jungen Soldaten hatten gerade den Dienst zusammen mit zwei Angehörigen der irakischen Polizei aufgenommen, mit denen sie die Einfahrt zu der Polizeikaserne, in der die Polizisten und Marinesoldaten untergebracht waren, sichern sollten, als das jähe Aufheulen eines schweren Motors ihnen die nahende Gefahr signalisierte  Ein blauer Mercedes-LKW hielt mit hoher Geschwindigkeit auf das Tor zu, unter der Plane auf der Ladefläche 1000 kg hochexplosiven Plastiksprengstoffs, am Steuer ein Selbstmordattentäter.
Die irakischen Polizisten am Eingangstor feuerten einige Schüsse aus ihren AK47-Gewehren ab, dann folgten sie ihrem natürlichen Instinkt und flüchteten nach hinten, weg von dem stählernen Monstrum und seiner tödlichen Ladung. Jetzt waren Jordan Hearter, Jonathan Yale und ihre Waffen das einzige, das zwischen 150 Männern und dem sicheren Tod stand.
Niemand wird je erfahren, was zwischen ihnen in jenen Sekunden gesprochen wurde oder ob sie überhaupt die Möglichkeit dazu hatten, aber die Videoaufzeichung spricht eine eindeutige Sprache. Jordan Hearter und Jonathan Yale hätten die Möglichkeit gehabt, zu flüchten, als der LKW das Tor durchbrach, doch sie entschieden anders. Sie traten nach vorn und brachten ihre Waffen in Anschlag. Von diesem Moment an hatten sie noch sechs Sekunden zu leben.

Jordan Haerter nahm mit seinem M4-Karabiner den Mann hinter dem Steuer ins Visier, während sein Kamerad Yale mit dem M249-Maschinengewehr auf  Reifen und Motor zielte. Beide begannen konzentriert zu feuern.
Sie hatten noch vier Sekunden zu leben.
Der LKW hielt weiter unbeirrt auf die Kaserne zu. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mußte Hearter und Yale klar sein, daß sie die Explosion nicht überleben würden, selbst wenn sie den LKW noch stoppen konnten.
Sie feuerten weiter.
Sie hatten noch zwei Sekunden zu leben.
Die Frontscheibe des LKW zersplitterte, der Fahrer sackte hinter dem Steuer zusammen.
Der LKW stoppte.
Sie hatten noch eine Sekunde zu leben.
Der LKW explodierte.
Die Aufzeichnung der Kamera brach ab.

Zwei junge Soldaten waren für immer vereint.

Bildquelle: Facebook
Die Explosion zerstörte die Polizeikaserne fast vollständig. Viele der Polizisten und Marinesoldaten wurden verwundet, manche von ihnen schwer, aber keiner kam ums Leben. Die meisten hatten von dem Vorfall nichts bemerkt, bis die Detonation Mauern und Dach zum Einsturz brachte. Niemand hätte einen direkten Einschlag der gewaltigen Autobombe in das Gebäude überleben können, wäre er nicht durch die beiden einzigen Gefallenen dieses Tages verhindert worden -   Jordan Hearter und Jonathan Yale.

Diese Männer verdanken dem selbstlosen Einsatz von Jordan Hearter und Jonathan Yale ihr Leben
( Bildquelle: jordanhearter.com)
Jordan Hearter wuchs in Sag Harbor im Bundestaat New York auf. Schon als kleiner Junge zeigte er großes Interesse für alles, was mit dem Militär zusammenhing. Er ging in die Bibliothek und las historische Bücher, um mit einer absolut originalgetreuen Uniform aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an der Parade zu Halloween teilnehmen zu können. Unmittelbar nach seinem Highschoolabschluß trat er dem US Marine Corps bei, qualifizierte sich schnell als hervorragender Schütze, begann im März 2008 seinen ersten Einsatz im Irak und schmiedete gleichzeitig Pläne, danach seine langjährige Freundin Nicole zu heiraten.

Jonathan Yale lebte mit seiner Mutter und seiner Schwester Tammy in Burkeville, einer kleinen Stadt in der Nähe von Richmond, Virginia. Freunde und Angehörige beschrieben ihn als fröhlichen, kontaktfeudigen Jungen, der immer für einen Spaß zu haben war, bereit, anderen Menschen zu helfen. „ Er war der beste Kumpel, den ich  auf der ganzen Welt hatte“ sagte Tammy unter Tränen dem Reporter der „Richmond Times“, „ ich vermisse ihn an jedem einzelnen Tag.“

Präsident Barack Obama verlieh Jordan Hearter und Jonathan Yale posthum das „Navy Cross“, die zweithöchste Tapferkeitsauszeichnung der Vereinigten Staaten. Bei einer Feierstunde auf ihrem Heimatstützpunkt Camp Lejeune, North Carolina, würdigte er sie unter anderem mit diesen Worten:
„ Diese jungen Männer meldeten sich zum Dienst in einer Zeit des Krieges, wohl wissend, dass sie den größten Gefahren ins Auge blicken mussten. Sie lehren uns, daß wir für unsere Freiheit einen hohen Preis zu zahlen haben. Ihr Opfer sollte eine Herausforderung für jeden einzelnen von uns sein, sich zu fragen, was er tun kann, um ein besserer Staatsbürger zu werden.“

Zwei Brücken tragen heute die Namen von Jordan Hearter und Jonathan Yale, in ihren Heimatstädten Sag Harbour und Burkeville.
Die Jahre seit dem Verlust ihres Sohnes brachten Rebecca Yale viele Tiefen und nur wenige Höhen, in ihrem Inneren hat sie noch immer nicht damit abgeschlossen.
 „Irgendwie warte ich immer noch darauf, dass er nach Hause kommt .Ein Teil von mir schaut noch auf diese Tür, als würde er gleich hindurchkommen.“
Jon´s Name auf dem Schild an der Brücke gibt Rebecca die Hoffnung, dass sein Andenken gewahrt bleibt.
„ Solange Menschen über diese Brücke gehen, werden sie es sehen und alle werden sich an ihn erinnern.“


  1987-2008                                         1988-2008


EHRE IHREM ANDENKEN - SIE SIND UNVERGESSEN

Textquellen: jordanhearter.com
                   timesdispatch.com
                   facebook.com

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Der zweite leere Stuhl



Kriege beginnen, wann immer du es willst, aber sie enden nicht, wenn du darum bittest.

                                                                                                                             Machiavelli


Name: Steven Robert Koch                                           Name: Lynne Clarissa Koch
Rang: Corporal ( Stabsgefreiter, posthum)                   Schwester von Steven R. Koch
Einheit: 508. Fallschirmjägerregiment, US - Army         
Alter: 23                                                                        Alter: 29
aus: Milltown, New Jersey, USA                                                                       
Gefallen: 3.März 2008, Bezirk Sabari, Afghanistan      Gestorben: 6.Mai 2010, East Brunswick,                                                                                                                                         New Jersey, USA
Operation Enduring Freedom


Bildquelle: findagrave.com





Ich wünschte, sie hätte Recht, dachte der Offizier, als die Fäuste der zierlichen Frau gegen seine Schultern hämmerten. „ Nein, Sie sind falsch informiert“ schrie Christine Koch die beiden Männer in den grünen Armeeuniformen an, denen sie und ihr Mann William gerade ihre Tür geöffnet  hatten „ das ist das falsche Haus, Sie meinen einen anderen Soldaten. Mein Sohn kommt wieder nach Hause!“

Wie für viele  Menschen in den USA und anderswo auf der Welt  war der 11.September 2001 für Steven Koch eine einschneidende Zäsur in seinem Leben. Die Bilder der einstürzenden Doppeltürme und die stundenlange Ungewissheit, ob sein älterer Bruder Billy, der in New York studierte und in der Nähe des World Trade Centers arbeitete, das Inferno überlebt hatte, seine Erzählungen über die Menschen, die vor seinen Augen aus den brennenden Wolkenkratzern in den Tod sprangen, weckten in dem 16jährigen den Wunsch, seinem Land zu dienen und in die Armee einzutreten.

Christine Koch versuchte ihren Sohn mit allen Mitteln von seinem Vorhaben abzubringen, zu groß war ihre Angst, ihn an den Krieg zu verlieren. Lange war Steven zwischen der Liebe zu seiner Mutter und seinem Pflichtgefühl hin und her gerissen, doch im März 2006 gab es für ihn kein Halten mehr. Er schloß sich der 82.Fallschirmjägerdivision an und absolvierte seine Ausbildung in Fort Benning, Georgia.
Im Januar 2007 verabschiedete sich der junge Ehemann und frischgebackene Vater von seiner Frau Amy und der gerade geborenen Tochter Zoe , als seine Einheit nach Afghanistan verlegt wurde.
    
Steven, Amy und Zoe ( Bildquelle:njrunforthefallen.org)


Gegenüber Kameraden und Angehörigen ließ Steven nie einen Zweifel aufkommen, dass er vom Sinn seiner Mission zutiefst überzeugt und bereit war, den höchsten Preis zu zahlen.
 „ In einhundert oder mehr  Jahren wird es ohne jeden Belang sein, in welchem Haus ich gewohnt, wie viel Geld ich verdient oder welches Auto ich gefahren habe. Aber die Welt könnte dann eine andere, bessere sein, weil ich im Krieg gegen den Terror meinen Posten nicht verließ, nachdem ich Freunde und Kameraden verlor. Wenn ich dafür durch die Hölle gehen muß, gehe ich einfach weiter. Wenn ich mein Blut über unsere Fahne vergießen muß, damit ihre Streifen rot bleiben, dann werde ich bluten …“ schrieb Steven Koch in einem Brief an seine Eltern.

Anfang des Jahres 2008 neigte sich Stevens  Dienstzeit in Afghanistan ihrem Ende zu. Er freute sich darauf , im April seine Frau Amy und die dann 15 Monate alte Tochter Zoe wiederzusehen, rief mindestens zweimal am Tag zuhause an. Die junge Familie schmiedete Pläne für die Zukunft, wollte nach Fort Bragg in Kentucky, Stevens Stationierungsort umziehen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.
Am 3. März 2008 zündete ein Selbstmordattentäter seine Autobombe unmittelbar neben dem Gebäude, in dem die Fallschirmjäger untergebracht waren. Das zusammenstürzende Mauerwerk begrub die Soldaten unter sich, tötete Steven und einen weiteren Kameraden, verwundete viele weitere.
Steven Kochs Leichnam wurde in seiner Heimatstadt Milltown, New Jersey mit einer beeindruckenden militärischen Zeremonie empfangen und auf dem Nationalfriedhof Arlington beigesetzt. Vor der Grundschule, die er besucht hatte, errichtete man einen Gedenkstein, ein Festsaal im Militärstützpunkt Fort Dix wurde nach  ihm benannt.

Christine, William und ihre Tochter Lynne erwarten die Ankunft  von Stevens Sarg, 10.03.2008  (Bildquelle:njrunforthefallen.org)


Lynne Koch, Stevens ältere Schwester, starb einen viel leiseren, viel einsameren Tod.

Lynne  musste  in ihrer Kindheit wegen psychischer Probleme und einer manisch-depressiven Erkrankung therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Erst als sie ins Teenageralter kam, fand sie ihre Fröhlichkeit und  Lebensfreude wieder, besonders die Liebe zu ihren kleinen  Brüdern Billy und Steven gab ihr Kraft und Halt.  „Ich nannte sie scherzhaft ihre kleine Mutter. Sie folgte ihnen auf Schritt und Tritt, wollte sie vor allem beschützen“, erinnerte sich Christine Koch.

Nach ihrem Schulabschluß fand Lynne eine Anstellung in der Elektrofirma ihres Vaters, doch der Militärdienst ihres Bruders Steven  veränderte Lynnes heile Welt von Grund auf. Sein Tod auf dem Schlachtfeld ließ die Illusion, ihre jüngeren Geschwister vor allen Widrigkeiten des Lebens bewahren zu können, wie eine Seifenblase zerplatzen.
Zur Einweihung des Gedenksteines vor der Grundschule in Milltown, die alle drei Geschwister besucht hatten, hielt Lynne Koch eine aufwühlende Rede, in der sie unter anderem sagte:

„…Das Herz ist untröstlich, in Stücke zerrissen, für immer in Tränen versunken. Wir empfinden diese Tage als ein Geheimnis, das uns vergeblich durch ein Labyrinth aus Trauer, Verweigerung, Zorn und Verwirrung irren läßt. Obwohl wir weinen, trauern und hassen gehen wir vorwärts, aber wir kommen nicht voran. Wir sind dazu unfähig, unser tägliches Leben wurde auf tragische Weise aus unserem Sein gerissen. Der Aufgang der Sonne, der Beginn so vieler neuer Dinge, erscheint jetzt wie die verwelkten Blätter, die am Ende des Sommers von den Blumen fallen. Ich kann die Pracht dieses Sonnenaufgangs nicht mehr erkennen, er spendet mir keinen Trost. Ich finde keine Hoffnung in einem neuen Tag. Mein Bruder ist gegangen. …“

Vielleicht erkannte manch einer der Anwesenden den Hilfeschrei einer gequälten, zutiefst verzweifelten Seele,doch keiner vermochte, das Ausmaß der sich anbahnenden Tragödie zu erahnen, niemand war in der Lage, sie zu verhindern.
Christine Koch und Lynne vor Stevens Denkmal, Milltown,NJ, 25.10.2008 (Bildquelle.Facebook)


Unfähig, den Tod ihres geliebten Bruders zu verarbeiten, verfiel Lynne einer tiefen Depression. In ihren Träumen sah sie Steven irgendwo in Afghanistan am Leben. Verzweifelt klammerte sie sich an diese Illusion, die Grenze zwischen Wahn und Realität begann zu verschwimmen.
Als Lynne fast ein Jahr später ihrer Mutter in einer email gestand, sie habe jetzt realisiert, daß Steven niemals zu ihr zurückkehren würde, sahen Freunde und Angehörige ein hoffnungsvolles Zeichen. In Wahrheit  hatte die Totenglocke zu läuten begonnen. Der Lebenswille der jungen Frau war zerbrochen.
Lynne verbrachte Tage weinend, nach ihrem Bruder rufend. Ihr besorgter Freund, der die Selbstmordgedanken ahnte, brachte sie in eine Klinik, in der sie aber nur eine Woche blieb.

Am frühen Morgen des 7.Mai 2010 öffneten Christine und William Koch erneut zwei Männern ihre Tür. Dieses Mal trugen sie die blauen Uniformen der Polizei.
Christine sah in das aschfahle Gesicht des Polizisten, dann brach sie weinend auf der Schwelle ihres Hauses zusammen

 Lynne schien alles akribisch geplant zu haben. Sie schrieb ihren Eltern eine email, dass sie sie über alles liebe. Ihren besorgten Vater, der sie sofort anrief, beruhigte sie, alles sei in Ordnung.  Sie legte Abschiedsbriefe an ihre Eltern und ihren Bruder Billy  neben die Sachen, in denen sie bestattet werden wollte – ein schwarzes Kleid und ein Diamantkollier – auf ihr Bett . Dann schluckte sie einen tödlichen Cocktail aus all den Medikamenten, die man ihr verschrieben hatte, um ihre seelischen Qualen zu lindern .

William Koch begann seine Trauer in Gedichten zu verarbeiten, die er zunächst auf seiner Facebookseite und dann als Buch veröffentlichte. Er nannte den kleinen Band  „ Kriegsgefallene“, denn für Christine und ihn ist nicht nur Steven, sondern auch ihre Tochter Lynne ein Opfer dieses Krieges. „ Egal, was andere denken oder sagen, wäre Steven heil aus Afghanistan zurückgekehrt dann hätten wir auch Lynne heute noch bei uns“ war sich Christine sicher. Ihr Mann ergänzte:  „ Die Ärzte erklärten mir, sie starb an einem posttraumatischen Streßsyndrom. Für mich heißt das: Lynne starb an ihrem gebrochenen Herzen“. Er fügte hinzu: „ Nach Stevens Tod wandelten wir alle auf dieser Linie, Lynne war die einzige, die sie überschritt.“

Auf dem Cover von William Kochs Gedichtband sind zwei leere Stühle in einem leeren Raum zu sehen, doch der Eindruck täuscht. Das Wohnzimmer im Haus der Kochs in Milltown ist nicht leer, es ist ein Schrein für ihre toten Kinder.
Bildquelle: amazon.com


„Vieles davon sind Geschenke, die wir von anderen Menschen bekamen“, sagte William Koch. Eine Decke mit Portraits von Lynne und Steven, angefertigt von einem Nachbarn, ist über einen Stuhl drapiert, darüber zwei Bleistiftzeichnungen beider Geschwister, von denen eine der Künstler Michael Reagan schuf, der diese Ehre der Familie jedes Gefallenen unentgeltlich erweist. Eine Vitrine enthält Stevens offizielles Militärporträt, die Flagge seiner Beerdigung, seine Militärauszeichnungen.
Die Erinnerungen scheinen den Raum zu überfluten, doch die  herzzerreißendsten  Bilder hängen  an den Wänden:  Die drei kleinen Koch – Geschwister, die große Schwester Lynne, der kleine Steven, der mittlere Bruder Billy  nebeneinander auf dem Sofa sitzend , Bilder der Erstkommunion aller drei, schließlich Billy bei seinem Schulabschluß, flankiert von seinen jetzt toten Geschwistern.
„All unsere Hoffnungen, all unsere Träume, für immer in diesem Zimmer begraben. Nur sehr, sehr wenige Menschen können überhaupt verstehen, wie traumatisch das für eine Familie ist.“, so William Koch.

Schulabschluß von Billy Koch, 2000, v.l.n.r William, Steven,Billy, Christine, Lynne (Bildquelle:Facebook) 
                                                                                                                    
Anfangs zog sich William zurück, begann das Leben eines Einsiedlers zu führen. „ Doch wozu sollte das gut sein? Das Leben muß weitergehen“, sagte er.
Er entschloß sich, offensiv mit seinem Schicksal umzugehen, seine Trauer und seine Gedanken nach außen zu tragen. Er nimmt mit seinem Truck, den er mit Bildern von Steven und Lynne dekoriert hat, an Paraden zum Nationalfeiertag und Gefallenengedenktag teil, organisiert Geprächsrunden und liest öffentlich aus seinen mittlerweile zwei Gedichtbänden. Vor allem aber versucht William Koch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die seelischen Leiden der Angehörigen gefallener Soldaten zu lenken. „ Die Menschen vergessen, daß für uns der Krieg nie zu Ende ist, oder sie wollen es gar nicht erst wissen. Umso wichtiger ist es, daß wir ihnen helfen, zu verstehen.“ sagte er.

Christine und William Koch lassen daß Aussehen ihres Wohnzimmers unverändert, seit ihre Kinder starben, lediglich ein kleiner, schmuckloser Weihnachtsbaum kam vier Jahre nach Stevens Tod erstmals hinzu. „ Wir können keine Feiertage mehr begehen, Lichter- und Blumenschmuck nicht mehr ertragen“, sagte William.
Dafür ließen sie eine alte Tradition, entstanden im zweiten Weltkrieg und seitdem fast in Vergessenheit geraten, wieder aufleben. Ein kleiner, goldener Stern im Fenster zeigt den Vorübergehenden, daß hier eine Familie wohnt, die Angehörige im Krieg verloren hat.

Christine Koch an Stevens Grab, Juli 2010 (Bildquelle:nyrunforthefallen.org)


Für Christine und William gibt es nur noch das Leben, so wie es jetzt ist.
Kein Weihnachten, kein Thanksgiving, kein Plüschtier für die Tochter zum Valentinstag, keinen Blumenstrauß von einem jungen Soldaten zum Muttertag und zwei Gräber. Aber auch die Freude über das Glück ihres letzten lebenden Sohnes Billy, der im November 2013 Laarni, die Liebe seines Lebens heiratete.



Steven Robert Koch (1984-2008)            Lynne Clarissa Koch ( 1981-2010)



     EHRE IHREM ANDENKEN       -         SIE SIND UNVERGESSEN





 Textquellen: