Si vis pacem para bellum - Freiheit hat einen Preis

Si vis pacem para bellum - Freiheit hat einen Preis

Wenn ihr nach Hause geht, erzählt ihnen von uns und sagt ihnen, daß wir für ihr Morgen unser Heute gaben.

John Maxwell Edmonds

Donnerstag, 29. Mai 2014

Ihre letzte Nacht



Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir Abschied nehmen.

                                                                                                                       Albert Schweitzer

Name   :        James Jeffrey Cathey
Rang    :        2nd Lieutenant ( Leutnant)
Einheit :        2. Bataillon , 2.Regiment, United States Marine Corps
Alter    :        24
aus       :       Reno, Nevada, USA
Gefallen am 21. August 2005, Karmah, Irak

Operation Iraqi Freedom


Auf dem Höhepunkt der Schlacht von Fredericksburg, während seine Soldaten die verzweifelt anrennenden Truppen der Nordstaaten zu Tausenden niederschossen, kam General Robert Edward Lee eine Erkenntnis. „ Es ist gut, dass der Krieg so schrecklich ist“ sagte der Kommandeur der konföderierten Armee von Nord- Virginia zu seinem Stabschef, General Longstreet, „ wir könnten sonst vielleicht Gefallen an ihm finden“.

Vielleicht gingen dem Major im US Marine Corps, Steve Beck ähnliche Gedanken durch den Kopf, als er Katherine Cathey zum offenen Sarg ihres Mannes geleitete. Leutnant James Cathey starb, während er seinen Zug anführte, durch eine am Straßenrand versteckte Bombe. Die Militärbestatter hüllten den von der gewaltigen Explosion zerstörten, geschundenen Körper vorsichtig in das Leichentuch und breiteten seine Uniform darüber. Steve Beck hatte Katherine darauf vorbereitet, dass es keinen letzten Blick, keinen Abschied für sie geben würde. Behutsam ergriff er die Hand der im fünften Monat schwangeren Frau und presste sie auf den blauen Stoff. „ Kannst du es fühlen? Er ist hier“ flüsterte er „ genau hier.“

Bildquelle: Todd Heisler
Zwei Tage zuvor hatte Katherine dem Offizier ihre Tür vor der Nase zugeschlagen, weigerte sich stundenlang mit ihm zu sprechen. Alles in Katherine sträubte sich dagegen, dem Unabwendbaren, das in Person des Majors Beck vor ihr stand, ins Auge zu blicken. Vor wenigen Tagen hatte sie erfahren, dass das Kind, das sie von ihrem Mann erwartete, ein Junge sein würde. James hatte ihr, kurz nachdem er seinen Einsatz im Irak begann, geschrieben:
 „ Ich verspreche dir, nach Hause zu kommen. Ich habe eine Frau und ein Baby, auf das ich mich freue. Ihr zwei seid alles, was ich auf dieser Welt habe!“

Steve Beck wusste mit dieser Situation umzugehen. Jahre zuvor, als er die unheimliche, schwarze, über New York aufsteigende Wolke im Fernsehen sah, rechnete er fest damit, sich bald im Kampfeinsatz wiederzufinden. Stattdessen wartete eine genauso schwere Aufgabe auf ihn – den Angehörigen gefallener Soldaten die schreckliche Nachricht zu überbringen. Er hatte gelernt, diesen Menschen, deren Welt in Sekundenbruchteilen in Trümmern versank, einen Halt zu geben und so nahm er Katherine Cathey behutsam in seinen Arm, als sie im Angesicht des fahnenbedeckten Sarges ihres Mannes, der aus dem Flugzeug geladen wurde, in haltloses Schluchzen ausbrach.

Bildquelle: Todd Heisler
Nachdem Caroline Cathey vom Einsatz ihres Sohnes im Irak erfahren hatte, wurde sie eine Vision nicht mehr los – sie sah drei Männer in grünen Uniformen an ihre Haustür klopfen.
Ende August 2005, einen Monat nach James Catheys Ankunft in Bagdad, wurde der Alptraum für die Buchhalterin aus Reno im Bundesstaat Nevada Wirklichkeit. Als sie vom Sonntagsgottesdienst nach Hause kam, parkte ein schwarzes Militärfahrzeug vor ihrem Haus.
„ Mir war sofort klar, warum sie hier waren“ sagte Caroline der Zeitung „Las Vegas Sun“.

Ihr Sohn James wollte Soldat im Marine Corps sein, seit er die vierte Klasse besucht hatte. „Wie sagt man seinem Kind : Nein, das kannst du nicht!“? fragte Caroline Cathey die Reporter.
James Cathey meldete sich 1998, im Alter von 17 zur Offiziersausbildung im Marine Corps. Er versäumte seine Abschlussfeier, um an der Grundausbildung teilzunehmen. Später setzte er seine Ausbildung an der Universität von Colorado in Boulder fort. James erwarb Abschlüsse in Geschichte und Anthropologie und traf seine große Liebe, Katherine aus Brighton in Colorado.
Ein Jahr nach Kriegsausbruch erhielt James Cathey sein Offizierspatent, diente in Ost –Timor und Okinawa bevor er in den Irak versetzt wurde.
 „ Die Männer, die er anführte, schauten zu ihm auf“ erzählte Caroline. „ Er sagte mir stets: Hab keine Angst um mich. Wenn wir sie nicht dort drüben bekämpfen, dann müssen wir irgendwann hier gegen sie kämpfen.“
Sie stimmte dem zu. “Unsere Jungs müssen dort sein. Dieser Job muß getan werden. Sie wollen uns vernichten. Sie werden es tun, wenn wir sie lassen. Diese Leute dort sind Wahnsinnige.“
Die Männer aus dem schwarzen Militärfahrzeug blieben die ganze Nacht über bei Caroline.

Steve Beck wich bis zu Leutnant James Catheys Beerdigung nicht von Katherines Seite, aber auf das, was am Abend zuvor geschah, war er nicht vorbereitet.
Katherine warf sich weinend über den Sarg, bevor sie persönliche Erinnerungen, die sie mitgebracht hatte, als letzen Gruß hineinlegte – Blumen ihrer Hochzeit, eine Flasche mit James´ Lieblingsparfüm, die letzte Ultraschallaufnahme ihres ungeborenen Sohnes.

Bildquelle: Todd Heisler
 Als die Kapelle bis zum nächsten Morgen verschlossen werden sollte, presste Katherine verzweifelt ihren Bauch auf den Sarg und weigerte sich, ihren Mann zu verlassen.

Bildquelle: Todd Heisler
Die Marines der Ehrenwache holten eine Matratze und Bettzeug aus ihrer Unterkunft und bereiteten ihr ein Bett vor dem Altar. Katherine öffnete, bevor sie einschlief, ihren Laptop, spielte Songs, die James geliebt hatte und ihr Hochzeitsvideo.
Einer der Männer fragte sie, ob sie allein sein wolle oder ob er Wache halten solle.
„ Ich glaube, er wäre froh, wenn Sie bei mir wären. Genau das hätte er sich gewünscht.“ erwiderte Katherine.

Bildquelle: Todd Heisler
Caroline Cathey fürchtete die Leere nach dem Tod ihres Sohnes. Am meisten quälte sie der Gedanke, James ´Andenken könne in Vergessenheit geraten. Dennoch versäumte sie die Zeremonie, bei der die Highschool ihrer Heimatstadt zum ersten Mal ein nach James Cathey benanntes Ehrenstipendium verlieh.
Joyce, ihre Tochter und James´ Schwester, die sich gerade auf den Abschluß ihres Jurastudiums vorbereitete, ließ sich das Bild ihres Bruders auf den Rücken tätowieren, nachdem sie von seinem Tod erfahren hatte. Danach gingen Mutter und Tochter auf eine Autotour, quer durch Amerika.„Wir hatten fünf Jahre auf eine Gelegenheit gewartet, das zu tun“ sagte Caroline.

In James Catheys ehemaligem Kinderzimmer liegen Beileidsbekundungen von Politikern achtlos auf einem Stapel in irgendeiner Ecke. Der einzige Brief in einem Rahmen an der Wand stammt vom Kommandanten des Marine Corps.
„James kümmerte sich nicht um all die Reden von Politikern, selbst des Präsidenten.“ sagte Caroline der Zeitung „Rocky Mountain News“. „ Er war für seine Männer da, seine Marines, sie waren sein Leben. Senatoren, Abgeordnete, der Präsident, sie alle haben nicht die Spur einer Ahnung, wie es uns jetzt geht.“

Katherine hatte hart und erbittert mit ihrem Mann über der Krieg gestritten. Sie war strikt gegen die Entscheidung, in den Irak einzumarschieren während James ihr entgegenhielt, dass es notwendig sei und er seinen Job erledigen müsse.  „Am Ende jedoch schweißten uns die Meinungsverschiedenheiten noch enger zusammen.“ sagte Katherine .


Am 22. Dezember  2005 brachte Katherine Cathey ihren Sohn James Jeffrey Cathey Jr. zur Welt. Sie nannte ihn Jimmy.
„ Ich hoffe, Jimmy wird mich viele Dinge über seinen Vater fragen. Ich bin mir sicher, dass er das tun wird“


James Jeffrey Cathey (1980 - 2005)
                                          EHRE SEINEM ANDENKEN - ER IST UNVERGESSEN




Anmerkung des Autors: Für seine Fotoserie über gefallene Soldaten aus dem Bundesstaat Nevada und ihre Angehörigen erhielt Todd Heisler, Journalist der Zeitung „ Rocky Mountain News“ 2006 den Pulitzerpreis in der Kategorie „ Pressefotografie".

Textquellen:  lasvegassun.com
                    freedom-hall.org
                    leatherneck.com

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